Lebensgeschichte der Kleinschmidt-Familie und einige künstlerische Daten des Malers

1883 Geburt in Bublitz (Pommern).
Vater Theaterdirektor, Mutter Schauspielerin. Früh zeigte sich die Vorliebe für Musik (Klavier) und Zeichnen. Ein Atelierbesuch bei Adolph von Menzel führte in Berlin zum Entschluß, Maler zu werden.

1902-1905 Kunststudium:
2 Jahre Akademie in Berlin bei Anton von Werner, 1 Jahr Akademie in München bei Heinrich von Zügel (Malerei) und Peter Halm (Grafik). Staatsexamen.

ab 1906 freier Maler und Grafiker in Berlin.
Erste Ausstellungsbeteiligungen in der Berliner Sezession, wo er bereits Aufsehen erregte, nicht allein wegen seines bevorzugten Sujets der drallen Frauen im Boudoir, in der Garderobe oder während der Theaterpause. Auch gut beobachtete Menschen im Alltagsmilieu, liebenswert, humorvoll und immer frei von Sozialkritik oder auch wunderschöne Landschafts- und Städtebilder, wie auch einladende Stilleben verblüfften nicht zuletzt wegen der fast magischen Anziehungskraft mit der Kleinschmidt den Betrachter in die Szene hineinzieht. Lovis Corinth zu Kleinschmidt: "Ich wollte die Frau malen und malte die Landschaft. Sie malen die Frau" und ein andermal: "Sie, mein Freund, werden den Stein noch höher setzen". Der Einfluss von Corinth erkennt man auch in dem fast reliefartigen Farbauftrag, der direkt über die Palette und den Pinsel führt und nicht erst auf der Leinwand gemischt wird. Er selbst schreibt, dass er die Möglichkeit sieht, über das rein Farbliche zur künstlerischen Vollendung zu gelangen.

1914 Wehrdienst.
Ein Jahr später wegen einer Verwundung wieder entlassen. Weiter als Maler tätig und zum Broterwerb Industriegrafiker und Zeichenlehrer an Berliner Gymnasien und der staatlichen Kunstschule. Heirat mit Margarete Treichelt und 1915 Geburt der Tochter Maria.

1923 Erste Einzelausstellung im Euphorion-Verlag mit großem Erfolg. Es folgten weitere Ausstellungen u.a. bei Gurlitt in Berlin, der Kleinschmidt einen Galerievertrag anbot, den dieser jedoch ablehnte. Meier-Graefe zur Eröffnung: "... Man könnte sich ihn zwischen Beckmann und Corinth denken. Verpflichtet ist er wohl nur Corinth, dem er der einzige Nachfolger auf neuer Bühne werden könnte.... Beckmann ist kälter und dekorativer ... sachlicher ... Kleinschmidt bejaht ohne jede Reserve."

1926 Geburt der Tochter Reglindis.

Einzelausstellung bei Flechtheim in Berlin 1927. Curt Glaser zur Eröffnung: "In dessen besten Werken steckt eine elementare malerische Kraft, wie sie seit Corinth in der Deutschen Kunst nicht mehr erlebt worden ist."

Die Weltkunst am 10.12.1933: „… Trotz der auf den ersten Blick gewaltsam erscheinenden Farben, lösen sich diese in der Gesamtorganisation des Bildes zu einer Harmonie auf, die in der neueren deutschen Malerei eine Seltenheit bildet.“

Es folgten mehrmonatige Kunstreisen mit der Familie nach Ulm, der Schwäbischen Alb, Italien, Holland und in die französische Provence.

Julius Meier-Graefe 1934 im Pernassus: "...Seit ich zum ersten mal van Gogh's Bilder sah, hatte ich kein ähnliches Erlebnis mehr. Heute hängt van Gogh auf Samt und Damast. Genauso wird Kleinschmidt seinen Platz auf den feinen Wänden bekommen und ich bin der Überzeugung, dass wir nicht gezwungen sein werden, geringere Anforderungen zu stellen, als bei van Gogh. Die Brillanz, die von Kleinschmidt's Bildern ausgeht, ist nicht schwächer“. In einem Brief 1932 bezeichnete er ihn als den bedeutendsten deutschen Maler der Gegenwart.

Die typisch Kleinschmidt’sche Maltechnik in Farbe, Ausdruck und Form hat viele seiner Malerkollegen beschäftigt. So besaßen neben den Ulmer Künstlern Geyer, Oberle, Unseld, Kley, Kneer und Gassebner unter anderem Edvard Munch, Julius Meidner, Hugo von König, Lovis Corinth und HAP Grieshaber Bilder von ihm.

In Folge der nationalistischen Machtergreifung von 1933 wurden insbesondere moderne Künstler bis zum Mal- und Lehrverbot benachteiligt und Museumsdirektoren, die nicht linientreu den Vorgaben der Nazi-Herrschern entsprachen oder keine arische Abstammung nachweisen konnten, unter massiven Druck gesetzt oder aus ihren Ämtern suspendiert.

Ab 1935 bereiten viele der damaligen Künstler ihre Emigration vor und auch der Kleinschmidt-Familie wird geraten, Berlin zu verlassen. Einen Teil seiner für eine Ideal-Ausstellung zurückgelassener großformatigen Figurenbilder kann Kleinschmidt in der Staatlichen Kunstbibliothek in Berlin einlagern. 1936 werden diese von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) aufgespürt und zusammen mit weiteren, aus dem Besitz der Nationalgalerie, zerstört. Die Kleinschmidt-Familie findet über süddeutsche Freunde und Sammler in der Nähe von Ulm ein neues Domizil.

Zur gleichen Zeit finden Einzelausstellungen, als erste eines deutschen Künstlers, im Art-Institute Chicago und im Museum of Art in Philadelphia statt.

1936 Emigration über die Schweiz nach Holland, nachdem der zunehmende politische Druck die Familie auch in Süddeutschland erreichte.

1937 In Mannheim und in der historischen Münchner Nazi-Ausstellung Entartete Kunst werden Bilder und Grafik von Kleinschmidt neben anderen seiner Malerkollegen Dix, Beckmann, Hofer, Rohlfs, Kirchner, Kokoschka, Schmitt-Rottluff, Heckel u.a. angeprangert und die Künstler beschimpft. Ihre Bilder wurden aus öffentlichen Museen entfernt, so die von Kleinschmidt in Berlin, Mannheim, Stuttgart und Frankfurt, zerstört oder ins Ausland verschleudert.

1938 durch die spürbar werdenden Kriegsvorbereitungen im nahen Deutschland beunruhigt, versucht Kleinschmidt weiter nach Frankreich zu übersiedeln. Abenteuerliche Fluchtwege über ungeahnte Hindernisse und erzwungener Trennung von seiner Familie, führten ihn schließlich in französische Internierungslager. Erst nach der deutschen Besetzung findet sich die Familie in La Varenne bei Paris kurze Zeit wieder. Dort, erneut von der Gestapo aufgespürt, fliehen die Kleinschmidts in verschiedene Orte der Bretagne. In Chartres, noch immer unter Aufsicht deutscher Behörden zwar, beziehen sie, unterstützt von einem amerikanischen Sammlerfreund, eine Atelier-Wohnung. Gesundheitlich bereits angeschlagen, entstehen dort erstmals wieder vorwiegend Landschaftsbilder.

1943 von der Gestapo wieder nach Deutschland zwangsrepatriiert, findet die Familie durch die Hilfe eines deutschen Offiziers in Paris, der ein großes persönliches Risiko damit einging, in Bensheim/Bergstraße wieder zusammen. Einige Bilder, Aquarelle, Zeichnungen und Grafik, die er über die Flucht retten konnte und von deutschen Freunden zurückerhielt, verlor er dort durch eine, seine Dachwohnung getroffene, verirrte Brandbombe. Bei einem Luftangriff in Ulm sind weitere 12 dort eingelagerte Ölbilder verbrannt.

1945 nach Kriegsende in einer weiteren Notunterkunft in Bensheim kann der schwer geprüfte und zunehmend an Angina pectoris leidende Maler seine restlichen eingelagerten noch erhaltenen Bilder zurückholen und unter erschwerten Bedingungen wieder mit dem Malen beginnen. Es entstehen Auftragsbilder, wie auch figürliche Erinnerungswerke und Stilleben, vorwiegend auf Papier. Teilweise sind darin Todesvisionen erkennbar. Der Maler selbst in Briefen: "Natürlich sehen alle nur die Motive, nicht ahnend oder wissend, dass das Motiv nur ein äußerer Anlass (für ein Kunstwerk) ist" ... "speien wir auf den Geschmack der Öffentlichkeit"..."ich versuche zu malen, was ich sehe". Wenige Monate vor seinem Tod: ..."ich habe keine Zeit zu verlieren und dabei meine Hauptwerke nur im Kopf und leider noch nicht auf der Leinwand oder Holztafel".

1949 am 2. August, als Folge seiner erlittenen unmenschlichen Belastungen, stirbt der Maler Paul Kleinschmidt im Alter von 66 Jahren an Herzversagen. "Es bleiben noch viele Fragen nach dem Woher und Wohin im Schaffen dieses groß angelegten, in seinem selbstgezogenen Bannkreis gefangenen Malers, unbeantwortet", so ein Fazit des Südwestfunks am 16.2.1968.

Der größte Teil des Kleinschmidt'schen Oeuvres befand sich danach schlecht zugänglich im Ausland. Nach Rückkunft einiger wichtiger Bilder aus Frankreich, Italien und der Schweiz und nach Gründung der Paul Kleinschmidt Gesellschaft kamen neben New York und Waschington auch wieder in Deutschland Einzelausstellungen zustande, u.a. in Karlsruhe, Stuttgart, Ulm, Köln, Berlin, Frankfurt, Kiel, Dresden, Würzburg, Bensheim, Kaiserslautern, Reutlingen, Ravensburg, Tübingen, Wuppertal, Regensburg, München, Delmenhorst, Heilbronn und Heidelberg. Künstlerkollegen, Kunsthistoriker und Museumsdirektoren setzten sich für die Wiederentdeckung von Kleinschmidt ein, so HAP Grieshaber anläßlich seiner eigenen Ausstellungseröffnung 1960 in Ulm: "... wie erklärt man sich eigentlich in Ulm, wo es genügend wahre Kenner dafür gibt, dass jene Museen, denen die Gestapo ihre Kleinschmidt's raubte, noch immer keine Bilder dieses großen Malers zeigen? Diese Kunst stünde uns heute gut zu Gesicht. ... meine Schüler habe ich an Bacon und Kleinschmidt geschult..." und ein andermal „Bei Kleinschmidt hat uns nicht der Gegenstand interessiert, sondern der Künstler erschüttert. Wahre Größe, mag sie noch so sehr einem Gegenstand verhaftet sein, sie sprengt ihn doch“. Schließlich mahnte Günther Wirth eine Neubewertung des Werkes von Kleinschmidt an. Kleinschmidt reicht seiner Meinung nach mit seinen besten Bildern an all jene heran, die in der deutschen Kunstgeschichte als große deutsche Maler des 20. Jahrhunderts verzeichnet sind. Mehrmals wurde er als Meister des Weiß bezeichnet. Klaus Gallwitz hebt ergänzend die Farben rosa, blau und gelb, glänzend, kraftvoll pastos hervor und vergleicht seine Farbpalette mit einem Schminkkasten, (Katalog zur Ausstellung Sammlung Deyhle in der Kunsthalle Tübingen 1997). Eine Dissertation mit erstem noch unvollständigem Werkverzeichnis entstand unter Prof. Sheja in Tübingen. Einige Museen in Berlin, Stuttgart, Darmstadt, Regensburg, Ulm und Privatsammler ergänzten wieder, wenn auch zögerlich, ihre Bestände durch die noch wenigen erhältlichen Kleinschmidt-Bilder. Es entstand eine Monografie von Günther Wirth im Hatje-Verlag und Kataloge. Kunsthändler und Versteigerungshäuser bieten wieder Originale an. Trotz dieser Bemühungen, einen so hochkarätigen Maler der deutschen Kunstgeschichte zu sichern und der Öffentlichkeit bekannter zu machen, konnten die negativen Umstände während der Nazi-Zeit und des zu frühen Todes bisher noch nicht vollständig überwunden werden. So bleibt Paul Kleinschmidt immer noch ein echter Geheimtipp.